HM-Masters-Weltmeisterschaft 2012 in Jyväskylä (FIN) vom 8.4.2012

Zeitgleich mit Nurmi im Ziel und trotzdem „nur“ WM-Vierter!

Mein diesjähriger Saisonhöhepunkt fand im hohen Norden statt: Im finnischen Jyväskylä standen in der Osterwoche die WMA Indoor Championchips 2012 am Programm. Zu den Hallenbewerben waren Outdoor auch Wurfdisziplinen sowie Crosslauf, Straßengehen und der Halbmarathon angesetzt. Nachdem ich bereits eine EM- und Olympia-Teilnahme zu Buche stehen hatte, wollte ich mein  Sortiment mit einer WM-Teilnahme komplettieren. Einfacher wäre es gewesen, zwei Jahre zu warten und nach Budapest zu fahren. Doch ich wollte EM, WM und Olympia innerhalb eines Jahres absolvieren. Somit standen ein Flug nach Helsinki sowie drei Stunden Autofahrt in die 270 KM weiter nördlich gelegene 132.000-Einwohner-Stadt Jyväskylä am Plan. Die Anreise am Karfreitag mittels Flugzeug und Mietauto (beinahe ständig kerzengeradeaus im Schneegestöber zwischen Birkenwäldern dahinfahrend) klappte gut, auch Sohn Theodor „spielte“ tadellos mit. Kurz nach 19.00 Uhr bezogen wir unser Zimmer in einem Thermenhotel mit wunderschönem Blick auf eine Skisprung-Schanzenanlage, wo früher der berühmteste Bürger der Stadt, Matti Nykänen, seine Sprünge absolvierte. Diese Skisprunganlage wurde in den 1960er Jahren errichtet und besteht aus insgesamt fünf Schanzen (die größte mit einer "Hillsize" von 108 m). Die Anlage trägt heute den Namen "Matti Nykänen Mäki". Am Karsamstag ging es zur Akkreditierung und Startnummernabholung (mehr dazu unter „Organisation“) in die Hippos-Halle. Am Ostersonntag war dann das Rennen. Am Ostermontag fuhren wir mit unserem Mietauto nach Helsinki, wo wir an diesem Tag noch das Olympiastadion samt Paavo-Nurmi-Statue besichtigten. Am Dienstag ging es nach der Besichtigung der Innenstadt von Helsinki per Flugzeug zurück nach Österreich.

Rennverlauf: Ich hatte mir als Ziel gesetzt, meine pB am HM zu verbessern, wobei ich vorausschickte, dass dazu alle Umstände passen müssen. Leider war dies dann nicht der Fall. Die letzten beiden Wochen vor dem Rennen plagte mich eine Halsentzündung samt verschleimten Atemwegen. In Jyväskylä waren Hustenstiller-Tabletten mein ständiger Begleiter und hatte ich mehrere Niesanfälle, so auch am Morgen des Renntages. Die mittelfinnische Stadt präsentierte sich Anfang April noch winterlich. Zu Hause wurde vor unserer Abreise auf der ÖLV-Homepage sogar von tiefstem Winter und vereisten Strecken und Wurfanlagen berichtet. Mein Eindruck war eine geschlossene Schneedecke und nicht überall perfekt geräumte Gehsteige. Da der HM auf einem Radweg um den zugefrorenen Päijänne-See (dem längsten See Finnlands) verlief, rechnete ich mit glatten Verhältnissen. Mein Vorhaben, mit Rekord-Pace von 5:10 anzulaufen, verwarf ich aus den beiden o.a. Gründen und legte mich auf ein Anfangstempo von 5:20 fest. Den ersten KM traf ich mit dieser Zeit auch gleich punktgenau, obwohl dieser über eine Brücke führte, die mit 20 m die höchste Erhebung des HM-Kurses war. KM 2 absolvierte ich laut Garmin mit 4:50, trotz Drosseln des Tempos beim Bergablaufen, um keine Verletzung durch die höheren Aufprallkräfte zu riskieren. Die weiteren KM absolvierte ich allesamt mit der angestrebten Geschwindigkeit von 5:20 oder leicht darunter. Lediglich die KM 14, 16 und 19 waren durch Trinkpausen bzw. einen Anstieg über eine Brücke etwas langsamer. Erwähnenswert ist, dass ich bei der ersten Labestation – für mich ungewöhnlich – gleich zugriff und im Laufen trank. Dafür lief ich an Labestation 2 vorbei. Als ich Labestation 3 bei KM 11 erblickte, versuchte ich mein Kohlenhydratgel aus meiner Laufjacke zu nehmen, was mir erst nach dem Passieren dieser Labestation gelang… Ich musste daher bei der Labestation bei KM 14 eine längere Pause einlegen und verlor dadurch auch eine Gruppe und musste ein Zeit lang alleine laufen. Dies war aber das einzige Missgeschick im gesamten Rennen, welches für mich wie im Flug verging. Am Ende überholte ich etliche Teilnehmer, u.a. auch eine Läuferin aus unserem Lieblingsnachbarland, was besonderen Spaß machte. Kurz darauf zog allerdings ein Finne an mir vorbei. Ich realisierte nicht sofort, dass dieser in meiner Altersklasse war. Als mir dies bewusst wurde, versuchte ich, mich an ihn anzuhängen. Die 5 m Abstand erhöhten sich langsam auf 10 m. Als ich sah, dass ich bereits einen Schnitt von 5:05 lief und es noch über einen Kilometer bis ins Ziel war, wusste ich, dass ich diesen Sportskameraden nicht mehr rücküberholen konnte. Trotzdem hielt ich mein Tempo hoch, lief den letzten vollen KM mit 5:08 und die letzten 290 m (Kurslänge lt. Garmin: 21,29 KM) mit 4:33. Zum Schlusssprint animierte mich die offizielle Zeitmessuhr im Ziel: Ich sah, dass ich eine Endzeit von  1:52:30 erreichen konnte, was zwar um 22 sec über meiner zweitbesten HM-Zeit lag, allerdings deutlich unter der für diesen Tag angestrebten 1:53er-Zeit. Es sollten schließlich 1:52:31 werden. Zu Hause sah ich, dass ich damit zeitgleich mit einem Herrn Nurmi, nicht Paavo, sondern Veikko Nurmi (Altersklasse M50), eingelaufen war. Und ebenso zufällig rief ich meiner Frau nach meiner Zielankunft zu: „Und wir haben ein Idol – Paavo Nurmi!“.

Strecke: Die gesamte HM-Strecke verläuft am Ufer des Päijänne-Sees. Der Start befindet sich vor einer rund 300 m langen Brücke, deren Scheitelpunkt ca. 20 m hoch ist. Diese stellt natürlich keine Herausforderung dar, da man am Anfang des Rennens noch „bestens im Saft ist“ und man sowieso zu schnell loslaufen würde. Eine weitere Brücke nach KM 11 ist ebenfalls kein Problem, da diese völlig eben ist. Zweimal muss man allerdings über eine nur 20 m lange Radfahrerbrücke laufen, zu deren Scheitelpunkt ein steiler Anstieg bis hin auf 15 m Höhe zu bewältigen ist. Meine Schätzung ist, dass man dort für rund 100 m sein Tempo vom Flachen nicht laufen kann. Wenn man meinen Schnitt von 5:20 auf 100 m umrechnet, ergeben sich 32 sec für die 100 m. Braucht man durch den „giftigen“ Anstieg bei der Brücke ungefähr die doppelte Zeit, verliert man durch das zweimalige Überqueren dieser Brücke rund eine Minute in seiner Gesamtzeit. Bis auf die erwähnten Brücken ist die Strecke, die auch für den Finlandia-Marathon im September genutzt wird, ziemlich eben und schnell. Teilweise führt sie durch Birkenwälder (Anm.: Für mich ist Finnland das „Land der 1000 Birken“ und nicht der "1000 Seen", von letzteren gibt es nämlich genau 187.888), an Villengegenden, Wohnhochhäusern und der Autobahn vorbei, stets ist man aber am Ufer des Päijänne-Sees unterwegs.

Organisation: Auch meiner dritten internationalen Meisterschaft kann ich hinsichtlich Organisation ein Spitzenzeugnis ausstellen! Den Beginn stellt immer die Akkreditierung plus Startnummernabholung und Wettkampfnennung dar. Diese fand in der Hippos-Halle statt, wo diese Indoor-Championchips ihren Hauptaustragungsort hatten. Nachdem ich am vorletzten WM-Tag meine Akkreditierung vornahm, war natürlich wenig los und das Personal entsprechend routiniert. Nach Erhalt von Akkreditierung und Startnummern musste man sich die Bestätigung für seine Bewerbe holen. Ich hatte neben dem HM für die 1.500 m genannt (als Backup, um zu einer WM-Teilnahme zu kommen, sollte ich für den HM nicht fit genug sein). Ich holte mir die Bestätigung aber nur für den HM, da man für den Rest der WM gesperrt würde, sollte man für einen Wettkampf die Bestätigung holen und dann nicht antreten. Am Renntag musste ich mit meiner Bestätigung für den HM spätestens 25 min vor dem Start beim Call Room erscheinen. Dort wurden die Startnummern (Brust und Rücken) sowie der Zeitmesschip kontrolliert. Die Versorgung an der Strecke (Labestationen alle 4 KM) sowie im Ziel war tadellos, das Personal überall freundlich und hilfsbereit.

Wetter: Meine Internetforschungen einige Monate vor dem Rennen ergaben, dass die Tageshöchsttemperaturen in Jyväskylä Anfang April mit max. 5 Grad gut 10 Grad unter den Temperaturen bei uns liegen. Rund 1,5 Wochen vor dem Rennen sah ich, dass die Tageshöchsttemperaturen aktuell sogar unter Null Grad und die Nachtwerte bei minus 15 Grad lagen. Dazu kam, dass es bei uns zu Hause mit anhaltenden Tageshöchstwerten von fast 20 Grad ausgesprochen warm war. In Helsinki erwartete uns dann tatsächlich Schneegestöber und eine Temperatur von 0 Grad. Bis zum Renntag wurde es dann aber kontinuierlich besser. Am Ostersonntag zeigte die Außentemperaturanzeige unseres Mietautos in Jyväskylä dann plus 3 Grad. Dazu kam strahlender Sonnenschein und praktisch Windstille. In Österreich würde man von Kaiserwetter sprechen.

Spezielles/Statistisches: In Finnland beging ich ein schönes Jubiläum: Ich absolvierte meinen 25. Halbmarathon! Wie bei meiner EM-Premiere (1:53:45 h) konnte ich bei meiner WM-Premiere (1:52:31 h) meine zu diesem Zeitpunkt drittschnellste HM-Zeit abliefern. Nur in der Steiermark konnte ich HMs bislang schneller laufen als bei diesen internationalen Rennen. Eine weitere Premiere war mein erstmaliges Antreten in einem österreichischen Team bei einer internationalen Meisterschaft: In der M40 erreichten Hartwig Fuchs, Franz Kropik und ich WM-Rang 4.  Der „undankbare 4. Platz“ schmerzt mich nicht, da ich ohne Medaillenerwartungen ins Rennen gegangen bin. Natürlich könnte man über das Regulativ jammern. Dieses sieht nämlich vor, dass man sogenannte „natürliche Teams“ nicht verändern darf. Das sind Teams, wo eine Nation drei Athleten in einer Alterklasse hat. Sind weniger als drei Athleten in einer Altersklasse vorhanden, kann man aus höheren Altersklassen Läufer zur Teambildung heranziehen. Davon haben die Russen Gebrauch gemacht und zwei schnellere Läufer aus höheren Altersklassen in die M40 genommen. Dadurch holten sie (nur eine Minute hinter Finnland) Silber und entging Österreich Bronze. Die Regelung der „kombinierten Teams“, die kleineren Nationen mit weniger Teilnehmern helfen soll, Teams zu bilden, fiel somit einer kleinen Nation auf dem Kopf. Andererseits muss auch festgehalten werden, dass Finnland mehrere „natürliche Teams“ in der M40 im Rennen hatte, welche schneller als unser österreichisches Team waren. Diese kamen allesamt nicht in die Wertung, da nur ein Team pro Nation gewertet wird.

Resümee: Kurz nach dem Rennen dachte ich mir, dass ich diesen WM-Halbmarathon zu wenig mutig angegangen wäre und eine pB, die ich trainingsmäßig am Fuß hatte, verschenkt habe. Nach Analyse meiner Pulswerte muss ich aber sagen, dass ich ab KM 18 über meinem HM-Wettkampfpuls lief. Mein Durchschnittspuls von 155 über das gesamte Rennen bei kühlen Temperaturen spricht auch für eine Belastung am oberen Rand. Und schließlich ist festzuhalten, dass ich meinem M40-Kontrahenten aus Finnland nicht mehr folgen konnte, der mich wenige KM vor dem Ziel überholte. Somit habe ich zeitmäßig wohl das Maximum herausgeholt, was an diesem Tag in mir steckte. Sehr froh bin ich, dass mein Traum von EM, WM und Olympia bei den Masters innerhalb eines Jahres in Erfüllung gegangen ist. Das Risiko, dass in einer Familie, in der der Sohn immer wieder mit verschiedenen Krankheiten in der Kinderkrippe konfrontiert ist, just zum Zeitpunkt der WM jemand erkrankt ist und die Reise nicht stattfinden kann, ist nicht unerheblich. Nicht unerheblich ist auch der finanzielle Aufwand einer solchen Reise, der mit einem Monatsgehalt beziffert werden kann. Somit bin ich glücklich, dass alles derart gut gelaufen ist und im heurigen Jahr nicht mehr ganz so große Ziele anstehen.

Ausblick: Einziges Mitbringsel auf Finnland war eine „wunderhübsche“ Seitenstrangangina, die zwei Tage nach der Rückkehr ausbrach. Ich hadere aber nicht damit, sondern freue mich, dass diese nach und nicht vor der WM aufgetreten ist. Außerdem verordnet mir diese Krankheit jetzt jene Zwangsruhe, die ich ohnehin für meinen nächsten HM in Linz nur zwei Wochen nach dem HM in Jyväskylä brauche. Eine Prognose hinsichtlich meiner Endzeit in Linz traue ich mir derzeit nicht abzugeben. Von pB bis zum vorzeitigen Abbiegen ins VM-Ziel ist alles möglich. Mein Körper wird es mir zeigen. Ich werde bereits beim Aufwärmen sehr genau in selbigen hineinhorchen. In Jyväskylä wusste ich zu diesem Zeitpunkt bereits, dass die Ampel auf die geplante Geschwindigkeit auf Grün steht, auch zur Halbdistanz hatte ich ein gutes Gefühl, die gewünschte Zeit ins Ziel zu bringen bzw. war mir dessen sicher. Ich hoffe, ich kann mich in Linz ähnlich gut einschätzen – egal welches Resultat dabei herauskommt.